Geschichten und Geschichte: Im Lindauer Leuchtturm gibt es viel zu entdecken.

Dass Bayern – das Land der Alpen und Almen – einen Leuchtturm hat, wissen selbst innerhalb des Freistaates nicht alle Bewohner. Dass der Turm der südlichste der ganzen Republik ist, erklärt sich bei einem Blick auf die Landkarte von selbst. Und dass dieses 1856 fertiggestellte Bauwerk tatsächlich außergewöhnlich ist – davon sollten Sie sich bei Ihrem Besuch der Inselstadt auf jeden Fall überzeugen. Ist das Wetter gut, steht die Tür zu den 139 Stufen offen, welche Sie auf 36 Meter Höhe bringen.

Doch keine Sorge vor der körperlichen Betätigung: Auf den Podesten zwischen den schmalen Holztreppen sind Verschnaufpausen nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Denn wie sonst sollten die Besucher die aufschlussreichen alten Zeichnungen, wissenswerten Fakten und heiteren Anekdoten am Inneren der Leuchtturmmauer goutieren können? Da sind zum Beispiel die Informationen zum Wetter auf dem See: Über Windhosen und Seerauch, Nebel und Wellen wird geschrieben – in alter Schrift und blumigen Worten. Oder Wissenswertes über die Tierwelt: Der riesige Wels findet ebenso Erwähnung wie der einsame Karpfen und eine spektakuläre Fangquote aus dem Jahr 1956 – 1040 Tonnen! Der Trajektverkehr von Güterwaggons über den See ist ebenfalls bildlich festgehalten. Auch warum der Leuchtturm eine Uhr hat, können Sie beim Aufstieg erfahren. Wir verraten es Ihnen aber gerne schon hier: Er wurde früher von der Eisenbahnverwaltung betrieben – und die hatte ein Interesse daran, den Reisenden des gegenüberliegenden Bahnhofs die Zeit mitzuteilen.

Die untergehende Sonne hinter dem Leuchtturm am Hafen in Lindau Die untergehende Sonne hinter dem Leuchtturm am Hafen in Lindau

Erst 2010 ging der Leuchtturm in das Eigentum der Stadt Lindau über. Seine Uhr durfte er behalten. Umgebaut hingegen wurde das Leuchtsignal, welches sich bei Sturm 10-mal pro Minute dreht und 20-mal blinkt. Weil es den Schlaf der Anwohner empfindlich störte, wurde das Licht in den 30er-Jahren zur Hafenseite hin abgeblendet. Heute sind die Scheinwerfer normalerweise nicht mehr aktiv – nur bei sehr schlechten Wetterbedingungen werden sie von den Bodenseeschiffen aus durch Funk aktiviert. Wofür der untere Leuchtturm-Teil während des Krieges genutzt wurde, wann die Wasserfläche komplett zugefroren war, so dass sogar Flugzeuge darauf landeten, und warum es den Bodensee wohl irgendwann nicht mehr geben wird: Auch das alles steht an dem massiven Mauerwerk geschrieben. Am besten entdecken Sie es bei einem gemütlichen Aufstieg – und immer daran denken: „Trag den Kopf nicht allzu stolz, hier ist nochmals alles Holz!“

Der innere Treppenaufgang des Leuchtturms Lindau. Der innere Treppenaufgang des Leuchtturms Lindau.

Neuer Leuchtturm

April bis einschließlich September täglich: 11:00 – 18:00 Uhr Je nach Wetter und Nachfrage können die Öffnungszeiten abweichen. Der Eintritt kostet 2,10 € für Erwachsene, für Kinder 0,80 €. Die Frau des bayerischen Leuchtturmwärters

Wer noch mehr über den Leuchtturm und die Ära seiner Erbauung und Nutzung erfahren möchte, sollte sich die passende Stadtführung nicht entgehen lassen. „Die Frau des bayerischen Leuchtturmwärters“ lautet der Name der inszenierten Kostümführung, die Sie 90 Minuten lang unterhaltsam in die Welt des 19. Jahrhunderts entführt. Vom Bahnhof aus geht es über den Hafen in die Innenstadt, wo es an jeder Ecke Historisches zu sehen und zu hören gibt. Sei es die Bewunderung für die Prinzessin Therese von Bayern, welche zwölf Sprachen sprach, oder Geschichten vom Bau der Eisenbahnstrecke, die damals viele Reisende auf die Insel brachte – die „Leuchtturmwärtersfrau“ weiß viel zu erzählen. Lauscht man ihren Ausführungen, wird einem wieder bewusst, wie mühsam viele Aufgaben früher waren – das Waschen und Mangeln von Wäsche, die Beschaffung von Trinkwasser oder auch die Entsorgung von Abfall. „Einst einmal hab‘ ich den Nachttopf aus dem Fenster geleert“, gesteht die Frau des Leuchtturmwärters etwas beschämt, „die Feiergesellschaft, die auf dem Schiff darunter vorbeigefahren ist, hat nicht gut ausgeschaut danach!“ Auch was es mit Kratzsteinen an den Hausmauern oder den Ehegräben auf sich hat, können Sie bei dieser Führung erfahren. Die Termine finden Sie online unter www.lindau.de/stadtfuehrungen