Ferne Länder üben immer eine gewisse Faszination aus. Doch wer fortwährend seinen Blick in die Fremde schweifen lässt, um woanders nach dem Lebensglück zu suchen, dem sei hier ein gutes Rezept gegen diese Gewohnheit gegeben: Man stelle sich gegenüber der Seekapelle auf die Anton-Schneider-Straße und lasse seinen Blick entlang der historischen Straße hinunterwandern. 

Anton-Schneider-Strasse

Anton-Schneider-Strasse 2-33

LOKALE WELTREISE

Man könnte sich genauso gut in einer romantischen Gasse von Verona befinden, das Wohlgefühl, das diese Perspektive auslöst, wäre dort keinen Deut besser. Kleine Lokale und Geschäfte reihen sich wie Zinnsoldaten aneinander und laden uns ein, sie zu betreten. Jedes einzelne birgt seine eigene Idee, eine persönliche Philosophie, die uns in eine andere Welt entführen kann. Man muss sich nur darauf einlassen. Aber am besten fangen wir von vorne an...

Anton-Schneider-Straße bei Abenddämmerung, Geschäfte haben bereits Lichter an Anton-Schneider-Straße bei Abenddämmerung, Geschäfte haben bereits Lichter an

REHMANN CASHMERE HOUSE: 1001 NACHT

Wenn Frau Rehmann über ihr Geschäft zu plaudern beginnt, ist man sofort fasziniert. Seit 2008 bietet sie in ihrem Laden feinste Ware aus Kaschmir an. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Zweimal im Jahr reist die dynamische Geschäftsfrau nämlich nach Pakistan, um sich in der angrenzenden Region Kaschmir nach edlen Schals und Tüchern umzusehen.

Um gute Qualität zu garantieren, kauft sie nur in kleinen Mengen ein. „Die beste Wolle der Kaschmirziege ist die am Hals- und Bauchbereich“, erklärt Frau Rehmann. „Sie wird von den Einheimischen noch an alten Webstühlen gewoben und meisterhaft von Hand bestickt.“ Besonders hochwertige Tücher werden anschließend mit den Initialen des Stickers versehen. Das Tragegefühl ist einzigartig, denn der Stoff schwebt federleicht auf der Haut und schützt im Sommer vor der unangenehmen Hitze. Und sollte ein Windstoß den Schal verwirbeln, macht das gar nichts.

Die Stickereien sind auf der Rückseite genauso hübsch anzusehen wie auf der Vorderseite. Echte Handwerkskunst eben. Mit einem tollen Schal um den Hals flaniert es sich gleich leichter. Noch in den Rausch von Tausendundeiner Nacht gehüllt, überfällt einen dann doch beinahe wie aus dem Nichts ein typisches Vorarlberger Gefühl: „A Kaffeele wär jetzt net schlecht!“

Frau hinter einem Schaufenster Frau hinter einem Schaufenster

CAFESITO: EIN KAFFEECHEN?

Wer Bagel bisher für eine Hunderasse hielt, wird in diesem Coffeeshop eines Besseren belehrt. Nirgendwo bekommt man bessere Hefeteigringe als hier. Vor über 100 Jahren erstmals von jüdischen Auswanderern nach Übersee gebracht, erfreut sich heute dieses leckere Gebäck auch bei uns äußerster Beliebtheit. Ob mit Cream-Cheese, Hummus, Lachs oder Chicken Curry gefüllt, der glänzende Teigling mit dem Loch in der Mitte ist ein wahrer Leckerbissen!

„Dabei war das anfangs eher ein Versuch. Dass die Leute dafür Schlange stehen würden, hätten wir nicht im Traum gedacht“, erzählt Inhaber Christian Nagel. Freilich kann man dieses Geschmackserlebnis noch steigern. Und zwar mit einem guten Kaffee. Das Team des Cafesito serviert auch hier nur feinste Ware. Neben ausgesuchten Bohnensorten eines regionalen Rösters wird auf Mahlgrad, Luftfeuchtigkeit und Extraktionsdauer geachtet. Und ohne Liebe geht hier sowieso nix über die Theke!

Im Cafesito herrscht außerdem echte Wohlfühlatmosphäre. „Viele kommen zu uns, weil sie einfach mal ungestört Zeitung lesen oder am Laptop arbeiten möchten. Dafür sind wir da. Bei uns gibt es für jeden eine gemütliche Ecke“, ist der Chef überzeugt. Bei so viel Gemütlichkeit könnte man beinahe die Zeit vergessen. Wäre man auf dem Weg zum „Sito“ nicht an einer schmucken Auslage mit tollen Uhren vorbeispaziert…

Frau und Mann stehen hinter der Theke Frau und Mann stehen hinter der Theke

PRAEG: UHR. GESTEIN.

Seit 1848 ist die Familie Praeg im Uhren- und Schmuckgeschäft tätig. In seinem Atelier bietet Gold- und Silberschmiedemeister Matthias Praeg mit seinem fünfköpfigen Team erlesene Kostbarkeiten an. „Wir wählen nicht nach Mode oder Marke aus. Es muss eine Idee hinter dem Schmuckstück stecken. ‚Individualität vor Mainstream‘ beschreibt unsere großartigen Produkte!“, schwärmt der Chef. Er schätzt seine Kunden sehr und Hochzeitspaare hat er besonders ins Herz geschlossen. Mit welcher Emotion sie die Ringe auswählen, die den Bund des Lebens besiegeln sollen, ist für Matthias Praeg schön mitzuerleben. Viele kommen mit ausgefallenen Wünschen ins Geschäft und lassen sich Unikate fertigen. „Einmal durften wir für ein Paar Trauringe fertigen, auf denen jeweils die Hälfte einer bestimmten Form eingraviert ist. Hält man sie aneinander, kann man den Bodensee erkennen. An der Stelle des Ufers, an der sie sich verliebt hatten, setzten wir einen kleinen Diamanten ein“, plaudert Praeg aus dem Schmuckkästchen. Wer möchte, kann sich bei Facebook und Instagram ein Video der „Bodensee-Trauringe“ ansehen. Schön, wenn man mit seinem Handwerk Menschen so glücklich machen kann. Und Praeg versteht diese Kunst bereits seit fünf Generationen meisterhaft.

Um die Ringe zwar um den Finger, nicht aber unter den Augen zu haben, wechseln wir Vorarlberger von der „Schaffa, schaffa, Hüsle baua“-Einstellung gerne mal in den „Dolce far niente“-Modus. Das Schöne dabei ist, dass wir dafür nicht zwangsweise wegfahren müssen. In der Anton-Schneider-Straße kann man sich zum Beispiel im „Shape natural hair care“ entspannt einen modernen Haarschnitt gönnen oder sich nebenan von einem der beiden Italiener verwöhnen lassen. Während im „Il Monello“ Mamas Pasta in den leckersten Varianten serviert wird, entpuppt sich das „Buongustaio“ hauptsächlich als Paradies für Selberkocher.

Anton-Schneider-Strasse-Portrait Anton-Schneider-Strasse-Portrait

BUONGUSTAIO: GENUSS AUF ITALIENISCH

Wer Italiens beste Produkte sucht, um daheim am Herd aufzutrumpfen, wird hier bestimmt fündig werden. Gerhard Rainalters Gourmetshop für Hobbyköche bietet ein großes Repertoire an Köstlichkeiten aus dem Süden. Dabei beschränkt sich das Angebot nicht nur auf die bekanntesten Regionen, sondern erstreckt sich von Sizilien nach Südtirol über alle Teile des Stiefels. „Viele unserer Speisen und Getränke sind Slow-Food-Produkte und wurden zum Teil auch international ausgezeichnet. Zum Beispiel das Primo Olio von Frantoi Cutrera wurde schon mehrfach als bestes Olivenöl Europas und der Welt prämiert“, erzählt Rainalter stolz. Wer trotzdem unschlüssig ist, kann vor dem Kauf gerne einige Sachen probieren. Von Schinken über Käse und Wein steht vieles zur Verkostung bereit. Die Entscheidung fällt bei der großen Auswahl an Gaumenfreuden trotzdem nie leicht. Auch Leute, die den Feinkostladen einfach nur wegen des herrlichen Espresso besuchen, sind gern gesehene Gäste. Herzklopfen bekommt man bei der Urlaubsatmosphäre im Buongustaio aber auch ohne Kaffee.

Geschäftsfläche in Schwarz Geschäftsfläche in Schwarz

Gleich nebenan bietet „Yvonne´s Welt“ neben einem umfassenden Workshopprogramm ein tolles Angebot an Naturkosmetik, Babyartikeln und bio-veganen Produkten und tollen Geschenksideen für jeden Anlass. Doch nicht nur kulinarisch kann sich die Anton-Schneider-Straße mit dem traditionellen „Gasthaus Gösser“, der gehobenen Küche des „Restaurant Füxl“ oder dem „Chinarestaurant Da-Li“ sehen lassen. Auch historisch hat sie einiges zu bieten. Vorbei an der imposanten Fassade der 1925 errichteten Zweigstelle der Österreichischen Nationalbank findet man auf der gegenüberliegenden Seite ein ganz besonderes Juwel der Stadt. Wer Geschichte förmlich spüren möchte, der setze seinen Fuß über die Schwelle des traditionsreichen Hauses des „Bregenzer Salons“. Während sich früher im Erdgeschoss das Gasthaus Tötsch befand, wurde in den oberen Stockwerken des Gebäudes kräftig verhandelt und beraten. Hier fanden wichtige Sitzungen der Landesregierung, Tagungen von Vereinen und sogar Vorbesprechungen zur Gründung der Bregenzer Festspiele statt. Natürlich kann man die Räumlichkeiten auch heute noch für Seminare, Workshops oder Vorträge nutzen. Erst vor Kurzem wurde aber auch noch eine andere geschmackvolle Idee zum Leben erweckt.

Anton-Schneider-Strasse-Portrait Anton-Schneider-Strasse-Portrait

PETRUS: EINFACH HIMMLISCH.

Bregenz hat jetzt eine Brasserie. Doch was ist das eigentlich? „Ursprünglich war eine Brasserie eine Brauerei. Neben Bier hat man auch Speisen und andere Getränke verkauft“, erklärt Inhaber Peter Brattinga. „Meine Frau Ursula und ich haben über 25 Jahre lang in Brüssel gelebt und wir wollten immer schon den typisch belgischen Brasserie-Flair mit in die Landeshauptstadt bringen.“ Das ist durchaus gelungen. Das Interieur des Lokals wurde vollständig renoviert und passt nun hervorragend zum Stil des historischen Stadthauses. Die Karte der Brasserie kann sich ebenfalls sehen lassen: Vom Fass gibt es neben Frastanzer Biobier vor allem belgische Biere wie Leffe Blonde und Brune oder das Hoegaarden. Dazu wird eine schöne Kollektion an typischen belgischen Flaschenbieren zum Ausprobieren und Verkosten angeboten. Die Küche legt mit belgischen Klassikern wie Moules Frites, Moules au vin blanc oder handgemachten Pommes frites nach. Natürlich auf Wunsch getrüffelt. Scholle, Fischsuppe und hausgemachte Ravioli runden das Ganze ab. Wer so erlesen anbietet, braucht in der Küche und im Service wahre Könner. Davon ist auch der Chef überzeugt: „Wir haben ein starkes und kreatives Team, denn unsere Gäste sollen sich rundum wohlfühlen.“

Eingelullt von Champagner, Crémant und leichter Pianomusik geht es weiter zum nächsten Highlight der Anton- Schneider-Straße. Nachdem man sich selbst anständig verwöhnt hat, sind jetzt mal die Kinder dran.

Kaffe auf einem Tisch und im Hintergrund ein Paar Kaffe auf einem Tisch und im Hintergrund ein Paar

allesGut Handwerk für dich ...

Wer den Laden von Sigrid Tiefenbacher-Alge betritt, überschreitet automatisch die Tür zu einer anderen Welt. Nur eine Stufe führt hinab in ein kleines Paradies und egal wie die Stimmung vorher war, plötzlich ist allesGut. Edle Karten zieren die Wände, Stofftiere blicken einen mit treuen Augen an, kunstvoll illustrierte Bücher und buntes Kindergeschirr wechseln sich auf den Regalen ab. Im Hintergrund ertönt leise Musik und es riecht irgendwie nach ... Alice im Wunderland. Die Besitzerin hatte sich anfangs auf Waldviertler Schuhe und Fussenegger-Decken eingeschworen. „Mit Schuhen kenne ich mich aus. Mein Vater war Schuhmacher und ich durfte als kleines Mädchen immer in seiner Werkstatt mithelfen. Heute kann ich auf den ersten Blick sagen, welcher Schuh hochwertig hergestellt wurde und welche Schuhgröße jemand hat“, erzählt die Chefin. „Seit ich Oma bin, verwandelt sich mein kleiner Laden allerdings immer mehr in ein Märchenland für Kinder.“ Neben der Qualität und Herkunft der Produkte ist Frau Tiefenbacher-Alge der Kundenkontakt am wichtigsten. Nicht der Verkauf, sondern das Wohlgefühl soll im Vordergrund stehen. Und das gelingt ihr mit diesem niedlichen Laden ganz hervorragend.

Wie man sieht, fühlt und schmeckt, steckt die Anton- Schneider-Straße voller Überraschungen. Hält man weiter die Augen auf, kann man im „Rubin“ Edelsteine und Düfte auf sich wirken lassen, im „angewandt“ von Hiltrud Greiner edlen Schmuck erwerben, oder im selben Laden bei Michael Beständigs Holzmühlen beinahe riechen, wo der Pfeffer wächst. Bei diesem Fest der Sinne dämmert es so manchem, wie vielfältig diese Straße ist. Apropos dämmern: Nur ein paar Schritte weiter ist das „ArchiLUM“ zu finden. Ein Leuchtenladen mit einer ganz bezaubernden Chefin. Barbara Gilhaus-Sturn versteht es auf herrlich natürliche Art nicht nur die Räumlichkeiten der Kunden, sondern auch deren Gemüter zu erhellen. Umsehen lohnt sich!

Am Ende der Straße und dieser Story gibt es noch eine letzte kleine Entdeckung zu machen. Schauen Sie doch beim nächsten Bregenz-Besuch einmal beim Denkmal des Namensgebers Anton Schneider vorbei. Er war Anführer des Vorarlberger Aufstandes gegen die bayerische Herrschaft im Jahr 1809 und seine Statue steht auf dem kleinen Rasen zwischen Postgebäude und Kunsthaus ...

Anton-Schneider-Strasse-Portrait Anton-Schneider-Strasse-Portrait

BREGENZERLEBEN 2019

Fotos: Studio Fasching

Text: Dominic Schedler

Dieser Artikel ist mit der freundlichen Unterstützung der Kongresskultur Bregenz entstanden: