Heidi Caviezel hat mit 2017 die Organisation des Festspielchors übernommen. Sie erzählt von der Faszination der Festspiele, der Funktion des Chors und ihrer eigenen Karriere als Musikerin.

Seit wann gibt es den Festspielchor?

Seit 1948, der Chor hat sich zwei Jahre nach Gründung der Festspiele erstmals formiert. Damals haben fast ausschließlich Bregenzerinnen und Bregenzer mitgesungen. Erst im Lauf der Zeit sind dann immer mehr Menschen aus den umliegenden Regionen dazugekommen. Aber der Chor ist, denke ich, nach wie vor ein starkes Bindeglied zwischen der Landeshauptstadt und den Festspielen.

Du selbst bist mütterlicherseits Finnin, väterlicherseits Schweizerin, bist in Buchs aufgewachsen ...

... und meine Wahlheimat ist Bregenz, was vor allem mit meiner Liebe zu den Festspielen zu tun hat. Ich habe in Luzern Jazzgesang studiert, schon damals haben mir Bekannte immer wieder vorgeschwärmt, wie viel Spaß es macht, auf der Bregenzer Seebühne zu arbeiten. 2009 hab ich mich beim Chor beworben, habe vorgesungen und bin aufgenommen worden. Seither habe ich viele Freunde über die Festspiele gefunden und freue mich jedes Jahr sehr auf die Produktionen.

Ist das nicht auch mit viel Arbeit verbunden?

Und wie. Es wird einen Monat vor der Premiere fast täglich geprobt. Immerhin wirkt der Festspielchor szenisch auf der Bühne mit. Im Haus drinnen singt ein Berufschor aus Prag, der auf die Bühne übertragen wird. Das Publikum hört dann sowohl uns als auch den Prager Chor.

Eine junge Frau steht im Atrium des Festspielhauses Bregenz Eine junge Frau steht im Atrium des Festspielhauses Bregenz

Stehen die beiden Chöre in Konkurrenz zueinander?

Nein, überhaupt nicht. Bei den Konzertprojekten und wenn das Wetter schlecht ist und wir im Haus spielen, singen wir gemeinsam mit den Pragern, das funktioniert wunderbar. Bei Chören gibt es das Problem, dass die Sänger nicht einzeln mit Mikrofonen ausgestattet werden können. Wir auf der Bühne bewegen uns, deshalb werden wir nicht verstärkt, wir müssten sonst stillstehen. Daher sind immer zwei Chöre gleichzeitig im Einsatz.

Ein junger Mann spielt Klavier, dahinter sitzt eine Gruppe junger Menschen Ein junger Mann spielt Klavier, dahinter sitzt eine Gruppe junger Menschen

Wer hat die künstlerische Leitung des Festspielchors inne?

Mein Kollege Benjamin Lack. Wir wählen in einer Jury gemeinsam die Sänger aus, ich organisiere, er studiert mit uns die Stücke ein. Ich hab das Gefühl, dass der Chor von Jahr zu Jahr professioneller wird. Es ist ursprünglich ein Laienchor, aber Benjamin schafft es, auch immer mehr Menschen zu gewinnen, die Gesang studieren oder studiert haben. Das hebt das Niveau natürlich weiter an.

Nahansicht eines alten Koffers, einer alten Uhr und Etui Nahansicht eines alten Koffers, einer alten Uhr und Etui

Profitierst du als Musikerin von den Festspielen?

Man profitiert vor allem von den Kontakten, die man knüpft. Ich habe letztes Jahr bei der Premierenfeier gesungen, woraufhin mich einige gefragt haben, ob ich mit ihnen bei der „Club Stage“ auftreten will. Das ist ein Format, bei dem alle, die bei den Festspielen mitwirken, einzeln oder in Gruppen vor öffentlichem Publikum auftreten können. Dabei entsteht ein wunderbar abwechslungsreiches Programm mit Tänzern, Poetry-Slammern, Akrobaten und Musikern.

Du selbst hast letztes Jahr dein erstes Album herausgebracht.

Ja, mit meiner Formation Lintu, was auf Finnisch „Vogel“ heißt. Wir hatten einige Konzerte in Vorarlberg und auch in der Schweiz und Deutschland. Mit meinen Kompositionen bin ich jetzt glücklicherweise bei einem Verlag in München, der sich darum bemüht, Theaterproduktionen zu initiieren, wo ich als Komponistin mitwirke. Im Programm von Lintu gibt es übrigens auch einen Song, der von den Festspielen handelt.

Von den Festspielen allgemein?

Nein, eher von der Zeit „nach Ladenschluss“, also wenn das Publikum gegangen ist und die Künstler das Haus übernehmen. Jeder, der schon mal bei einer Theater- oder Opernproduktion mitgewirkt hat, kennt diese besondere Stimmung, wenn nach einer Vorstellung alle Beteiligten gemeinsam feiern. Der Song hat aber auch eine melancholische Färbung, weil es natürlich immer traurig ist, wenn die Menschen, die man gerade erst kennengelernt hat, Bregenz im Spätsommer wieder verlassen. Aber die nächsten Festspiele sind dann zum Glück meist schneller da, als man glaubt. Und auf den Urlaub freut man sich nach zwei so intensiven Monaten natürlich auch.

Nahaufnahme einer Hand, die auf dem Klavier spielt Nahaufnahme einer Hand, die auf dem Klavier spielt

Text: Maximilian Lang

Bilder: Udo Mittelberger