... am Bänkle, heißt es im Lied über die Bregenzerwaldbahn. Wie war das damals, als Männer wie Jakob Bobleter auf der Schmalspurbahn gearbeitet haben? Und wie ist es heute?

Der Heizer steht nachts auf, entfacht Feuer in der Feuerbüchse und schaufelt 500 Kilo Kohle. Vier Stunden später pfeift die Lok. Haltestelle Egg. Schüler steigen ein, machen Hausaufgaben auf den Knien. In Langenegg springt der Eisenbahner Jakob Bobleter herein und setzt sich wie alle Pendler an seinen Platz. In Doren eilt der kleine Walter Rüf mit seiner Mutter über die Hängebrücke. Türen schließen. Der Bub soll im Kleidergeschäft Sagmeister in Bregenz eine neue Jacke bekommen. Der Schaffner zwickt die Karte. Alltag im Wälderbähnle. Jakob Bobleter steigt in Vorkloster aus, wo er Waggons tannengrün anmalt. Nach Feierabend schaufelt er für ein paar Groschen Fracht um – tausende Tonnen Korn für die Mühle in Egg, Kohle, Zement und Stroh für die Baustofffirma Wälderhaus in Bezau, Sisal für die Weberei in Mellau. Und im schlechten Bienenjahr 1952 eine Waggonladung Honig für Ulrich Sutterlüty, der bald den ersten Selbstbedienungsladen eröffnet. Den ganzen Tag ist der Güterzug taleinwärts unterwegs, kann nur an wenigen Haltestellen ausweichen, gibt dem Personenzug stets Vorrang. Alles wird ausgeschaufelt. Zurück fährt der Zug meist leer.

Wälderbähnle mit Dampf unterwegs. Wälderbähnle mit Dampf unterwegs.

Als die Bahn 1902 eröffnete, feierte man drei Tage. Die Dampflokomotiven U24 und U25 zogen den langen Eröffnungszug nach Egg, wo die Brauerei so viel Bier verkaufte wie im ganzen Jahrhundert nicht mehr. Gebhard Wölfle verfasste anlässlich dieses Volksfestes ein Gedicht, das mit Worten endet, die heute jeder Bregenzerwälder kennt: „Meor ehrod das Ault, meor grüozod das Nü, und blibod üs sealb und dor Hoammad trü.“ Das Neue wurde schnell alt. Schon während der Bauarbeiten ahnte manch einer, dass die billigste Trassen-Variante entlang des Flusses ein großer Irrtum war: Gigantische Erdbewegungen, Überschwemmungen, Unterspülungen, Schneestürme, Muren und Felsstürze unterbrachen die Strecke immer wieder für Tage. Bereits 1936 gab es erste Bestrebungen, den Betrieb wegen Instabilität einzustellen. Dass es wirklich zu Ende ging, merkte Jakob Bobleter vor den anderen: „Mitte der 70er Jahre ließ man den Oberbau der Strecke verlottern, plötzlich wurde kein Material mehr zur Reparatur geliefert.“ Ab 1980 pfiff nur noch ein Kurzzug zwischen Kennelbach und Bregenz aus dem letzten Loch. Bobleter, der einzig übriggebliebene Mann in der Werkstatt, wurde nach Wolfurt zum neuen Güterbahnhof versetzt und sah zu, wie Bahnfreunde protestierten, aber 1983 kleinlaut aufgaben. Die Nahversorgung erledigten Postbusse und LKWs.

Das Gleis wurde zerstückelt, Waggons und Lokomotiven an andere Schmalspurbahnen verteilt –die U24 landete in Bregenz am Spielplatz, die U25 schien als Denkmal bei Wien ewige Ruhe gefunden zu haben.

Eisenbahnschaffner, Zugbegleiter in der Wälderbahn Eisenbahnschaffner, Zugbegleiter in der Wälderbahn

„Aber sollte man nicht doch noch ein bisschen fahren?“ fragten sich der Bürgermeister Erich Schäffler aus Bezau, sein Freund Hans Meusburger und ein paar andere. Weil es keine Lok mehr gab, stellten sie einen alten Öltankwagen auf Eisenräder und nannten das Ungetüm HANSERICH. Für jede Ausfahrt zahlten sie behördliche Strafen, bis sie 1985 den Verein Bregenzerwaldbahn-Museumsbahn gründen – mit dabei: Jakob Bobleter. Sie kämpften um jeden Meter Gleis. Sie legten sich mit Bürgermeistern an, verloren nach Jahren den Kampf um den Bersbucher Wald, sortierten in mühsamer Handarbeit 800 brauchbare Schwellen aus einem gigantischen Haufen, frästen Schienen in Asphalt und schafften es mit unvorstellbarem Aufwand, die U24 und die U25 wiederzubekommen. Keiner nahm sie ernst. Bis 1999 nach Dauerregen die Sporeneggbrücke einstürzt. Als die Brücke ein Jahr später wieder stand, wuchs der Respekt. Immer mehr Touristen kamen und aus einer Idee wurde ein Hit: die erste Fahrt 1995 mit Nikolaus, Glühwein, Wurst und Brot in einem unbeheizten, unbeleuchteten Zug war nach wenigen Stunden ausgebucht. Drei Winter später wünschten sich manche eine „Einbremsung der Nikolaus-Euphorie“.
 

Inzwischen hat jeder verstanden, dass die Museumsbahn ein attraktiver Tourismusbetrieb ist. Seit 2014 ist Walter Rüf Geschäftsführer. Er hat tiefen Respekt vor dem, was der Verein leistet. Immer noch erinnert er sich, wie er als Kind auf der Holzbank saß und mit der Lederschlaufe am Fenster spielte, den Geruch nach Öl, Kohle und Ruß in der Nase.
 

Zwischen Doren und Kennelbach holte sich die Natur die alte Trasse zurück. Wo einst die Bahn dampfte, blieb ein zauberhafter Trampelpfad durch ein Paradies.

Text: Irmgard Kramer

Bilder: Adolf Bereuter