Bregenz hat in Sachen Bergsport nicht nur den Pfänder zu bieten. Kletterer schätzen das Känzele zwischen Gebhardsberg und Fluh. Der neue Klettersteig bietet nun auch den Fans dieser Variante fast ganzjährig Abwechslung und ein großartiges Panorama.

Als die Idee da war, ging auf einmal alles ganz schnell. „Im Oktober 2014 wollte ich bei meinen Vorstandskollegen des Alpenvereins Bregenz vorfühlen, was sie vom Bau eines Klettersteigs am Känzele halten“, erinnert sich Stephan Leitner. Zu dieser Sitzung hatte der heute 47-jährige Obmann auch Wolfgang Vogl eingeladen. Der Geschäftsführer der Dornbirner Kletterhalle ist mit seiner Firma Biklewa Experte im Bau von Kletterwänden und -steigen. Und was Vogl macht, das macht er richtig. „Eigentlich ging es mir nur darum, die Einschätzung eines Fachmanns zur Machbarkeit einzuholen“, erzählt Leitner, „doch Wolfgang brachte gleich ein fixfertiges Konzept mit.“ Ein offenbar schlüssiges Konzept, das in einer für solche Projekte ungewöhnlich kurzen Zeit umgesetzt wurde. Im Juni 2016 war der Klettersteig bereits fertig.

Mann und Frau auf dem Klettersteig mit Aussicht auf Bregenz Mann und Frau auf dem Klettersteig mit Aussicht auf Bregenz

Balanceakte

200 Arbeitsstunden stecken in dem Projekt. Mit nur einem Mitarbeiter, ohne nennenswerte technische Unterstützung brachte Vogl das auf gut 100 Meter Länge durchlaufende Stahlseil an, dazu die nötigen Befestigungen und Tritthilfen für die steilsten Passagen. Wie beim Klettern selbst waren jetzt Kraft und Konzentration gefordert: „Neben der logischen Routenwahl galt es, verlässliche Ankerpunkte im Konglomerat und Sandstein zu finden – ein Gestein, das von der Struktur her eher schwer einzuschätzen ist“, erklärt Vogl (57). Wie weit die Eingriffe in die Natur gehen sollten, darin waren sich Leitner und Vogl einig: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Nahaufnahme von Händen die sich mit einem Karabiner am Seil befestigen Nahaufnahme von Händen die sich mit einem Karabiner am Seil befestigen

Hoch hinaus

Das Resultat ist ein erlebenswerter Klettersteig für „sportlich orientierte Leute ohne Höhenangst. Der steil abfallende Hang bzw. Wald zur Langenerstraße und weiter bis zur Bregenzer Ach erhöht die Ausgesetztheit nach oben hin ganz ordentlich“ (Vogl). Mit seinen senkrechten Passagen zählt er zur Kategorie C oder C+. Geübte Sportler legen die zwei Varianten des Steiges in zehn bis zwanzig Minuten zurück. Sein größter Reiz liegt – neben dem weiten Ausblick ins Rheintal – woanders: Die Nähe zur Stadt und die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln suchen ihresgleichen. Zusteigen können die Sportler über Bregenz-Kronhalde, Kennelbach sowie über den Gebhardsberg. Alle Varianten sind mit Stadt- oder Landbus leicht zu erreichen. „Vom Gebhardsberg-Parkplatz kommt man nach einer zehnminütigen Wanderung schon leicht aufgewärmt am Einstiegspunkt an“, findet Leitner, der die „ganzheitliche Bewegung“ seines Lieblingssports schätzt.

Besonders rund wird das Angebot in Kombination mit den Wanderwegen, die rund um Gebhardsberg, Fluh und Känzele führen. Schnell sind auf diese Art zwei Stunden auf schönste Weise vergangen – ein richtiger Ausflug in die Berge. Der Obere Känzeleweg, der nahe der Felskante über herrlich weichen Waldboden und knubbelige Baumwurzeln führt, ist bereits ohne „Rahmenprogramm“ Balsam für Auge und Seele und bei Gästen wie Einheimischen gleichermaßen beliebt.

Zwei Hände halten Seil und Karabiner Zwei Hände halten Seil und Karabiner

Sonne bis in die Abendstunden

Ein großer Vorteil der Känzele-Wand ist ihre Ausrichtung nach Süden, die viele Sonnenstunden mit sich bringt. Natürlich ist bei Nässe besondere Vorsicht geboten. Doch wenn das Wetter mitspielt, ist der Klettersteig nur rund vier Wochen pro Jahr nicht begehbar. „Bei Sonnenschein kann man auch im November noch das T-Shirt anziehen“, erzählt Vogl. Sein Vater hatte bislang nicht viel von Klettersteigen gehalten. Jetzt wollte der Kennelbacher doch mal nachsehen, was der Sohnemann oberhalb des Elternhauses gebaut hat, und machte eine Ausnahme. So kam es für ihn zur – gelungenen – Premiere. Im Alter von 86 Jahren.

Eine Gruppe Kletterer im Wald Eine Gruppe Kletterer im Wald

Text: Thorsten Bayer

Bilder: Petra Rainer